Hochbegabte Schüler mit Legasthenie

Hochbegabte Schüler mit Legasthenie

Die Kombination von Hochbegabung und Legasthenie bei Schülern stellt eine besondere Herausforderung dar. Diese Kinder, oft als „Twice Exceptional“ (2e) bezeichnet, verfügen über außergewöhnliche intellektuelle Fähigkeiten, haben jedoch Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wie man diese zweifach außergewöhnlichen Kinder erkennt, welche Herausforderungen sie und ihre Familien bewältigen müssen und welche Strategien am besten geeignet sind, um ihre Stärken zu fördern und ihre Schwächen zu unterstützen. Ich werde auf die neuesten Forschungsergebnisse eingehen und praktische Tipps für Lehrkräfte und Eltern geben.

Hochbegabung unter besonderen Bedingungen

„Twice Exceptional“ (2e) oder zweifach außergewöhnlich bezeichnet Personen, die hochbegabt und gleichzeitig durch eine Entwicklungs-, Lern- oder Leistungsstörung oder eine körperliche Behinderung herausgefordert sind. Entgegen der allgemeinen Annahme schließt eine Hochbegabung Störungen der Entwicklung, im Lernen oder in bestimmten Leistungsbereichen nicht aus.

Zweifach außergewöhnliche Kinder und Jugendliche bleiben oft unauffällig, weil ihre besondere Begabung und Lern- oder Entwicklungsstörung die Erkennung ihrer Potenziale und Herausforderungen erschweren. Die Symptome der Störung können das intellektuelle Potenzial eines Kindes verbergen und die Umsetzung des Potenzials in Leistung verhindern. Eine besonders hohe Begabung kann hingegen Schwächen kompensieren und zu durchschnittlichen Leistungen führen, wodurch diese Kinder oft durch das Raster fallen. Daher ist es wichtig, dass Fachkräfte in Schulen und Beratungsstellen für Hinweise auf zweifache Außergewöhnlichkeit sensibilisiert sind (Fachportal Hochbegabung).

Anerkennung von Legasthenie als Behinderung

Eine rechtliche Anerkennung in Deutschland kam durch das Bundesverfassungsgericht, das Legasthenie (Lese- und Rechtschreibstörung) als Behinderung gemäß dem Grundgesetz anerkannt hat. Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in der rechtlichen und gesellschaftlichen Anerkennung von Legasthenie und ihren Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen (Schulte-Körne und Mierau, 2024).

Chancengleichheit im Bildungswesen

Robert Uerpmann-Wittzack thematisiert in seiner Arbeit die Chancengleichheit im Bildungswesen nach dem Legasthenie-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Bildungspolitik und die schulische Unterstützung von Schülern mit Legasthenie. Es betont die Notwendigkeit, faire Bildungschancen für alle Schüler zu gewährleisten und spezifische Unterstützung für Schüler mit Legasthenie bereitzustellen (Uerpmann-Wittzack, 2023).

Hochbegabung und Legasthenie: Kein überraschendes Duo

Häufigkeit und Diagnose

Hochbegabung tritt bei Kindern mit Lernstörungen häufiger auf, als man denkt. Studien zeigen, dass 3,75 % der Kinder mit Lernstörungen als hochbegabt gelten, wenn ein spezieller Intelligenzindex verwendet wird, der ihre zentralen Intelligenzfähigkeiten misst. Weniger als 1 % dieser Kinder haben jedoch einen Gesamt-IQ von über 130, was darauf hinweist, dass mehr Kinder mit Lernstörungen auch hochbegabt sind, als vermutet (Toffalini et al., 2017).

Eine präzise und differenzierte Diagnostik ist unerlässlich, um die spezifischen Stärken und Schwächen von hochbegabten Kindern mit Legasthenie zu erfassen. Hierbei spielen spezielle Testverfahren und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Psychologen eine entscheidende Rolle. Ohne eine genaue Diagnose ist es schwierig, die richtige Unterstützung und Förderung für diese Kinder bereitzustellen.

Ein weiteres wichtiges Werk zur Diagnostik von Legasthenie und Dyskalkulie wurde von L. Tischler verfasst. In diesem Buch wird die Bedeutung der Diskrepanzkriterien bei der Diagnostik dieser Störungen ausführlich behandelt. Diese Kriterien sind entscheidend, um eine genaue Diagnose stellen und angemessene Unterstützungsmaßnahmen einleiten zu können (Tischler, 2016 ).

Die Diagnose von zweifach außergewöhnlichen Kindern ist komplex, da sich Hinweise und Symptome nicht eindeutig zuordnen lassen. Es kann zu Fehldiagnosen kommen, bei denen eine Störung diagnostiziert wird, obwohl eine Hochbegabung vorliegt, oder eine vorhandene Störung aufgrund der Hochbegabung übersehen wird. Die Diagnose setzt Kenntnisse sowohl im Thema Hochbegabung als auch über Lern- und Entwicklungsstörungen voraus.

Maskierung von Leseschwierigkeiten

Hochbegabte Kinder mit Legasthenie haben oft die Fähigkeit, ihre Probleme zu verbergen. Sie nutzen ihre Stärken im Gedächtnis und in der Sprache, um ihre Leseschwierigkeiten zu kaschieren. Diese Fähigkeiten helfen ihnen, ihre Schwächen im Erkennen von Lauten und im schnellen Benennen von Wörtern auszugleichen. Daher schneiden sie bei Lesetests besser ab als andere Kinder mit Legasthenie, jedoch schlechter als Kinder ohne Legasthenie (van Viersen et al., 2016).

Hochbegabte Schüler mit Legasthenie haben oft bessere Fremdsprachenkenntnisse

Eine Studie fand heraus, dass hochbegabte Schüler mit Legasthenie im Fremdsprachenunterricht besser abschneiden als durchschnittlich intelligente Schüler mit Legasthenie. Besonders in ihrer Muttersprache zeigen sie bessere Lese- und Rechtschreibfähigkeiten (van Viersen et al., 2017).

Lehrkräfte sollten die Fremdsprachenkompetenzen hochbegabter Schüler mit Legasthenie gezielt fördern. Dies kann durch individuelle Unterstützung, den Einsatz von visuellen Hilfsmitteln und das Ermutigen zur Nutzung ihrer sprachlichen Stärken geschehen.

Hochbegabung kann Legasthenie nicht vollständig kompensieren

Eine andere Studie zeigte, dass die besonderen Fähigkeiten hochbegabter Kinder nicht ausreichen, um ihre Leseschwierigkeiten eigenständig vollständig zu überwinden. Die besseren Leistungen von Kindern, die an der Grenze zur Hochbegabung stehen, im Vergleich zu hochbegabten Kindern mit Legasthenie, sind darauf zurückzuführen, dass sie weniger zusätzliche Schwierigkeiten und weniger schwere Probleme beim Erkennen von Lauten haben (van Viersen et al., 2015).

Kombinierte Förderstrategien

Um sowohl die Stärken als auch die Schwächen hochbegabter Kinder mit Legasthenie zu adressieren, sind kombinierte Förderstrategien entscheidend. Dies beinhaltet die Integration von anspruchsvollen Aufgaben zur Förderung der intellektuellen Fähigkeiten sowie gezielte Übungen zur Verbesserung der Lese- Rechtschreibfähigkeiten.

Die Förderung sollte individualisiert erfolgen, um sowohl die Begabung als auch die Störung im Blick zu behalten. Eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen wie Verhaltens- und Lerntherapie, Training der Selbststeuerung und Teilnahme an Enrichment-Programmen ist oft am wirkungsvollsten.

Zweifach außergewöhnliche Kinder und Jugendliche brauchen Experten

die ihre besonderen Potenziale und Herausforderungen erkennen und darauf eingehen können. Dies erfordert sowohl eine ressourcenorientierte Haltung als auch Kenntnisse über Hochbegabung und verschiedene Entwicklungs- und Leistungsstörungen.

Früherkennung und Diagnose

  • Regelmäßige Tests: Testen Sie regelmäßig die Lesefähigkeiten der Schüler, um Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen.
  • Experten hinzuziehen: Arbeiten Sie mit Schulpsychologen oder anderen Experten zusammen, um eine genaue Diagnose zu stellen.
  • Differenzierte Diagnostik: Verwenden Sie spezifische Testverfahren, die die kognitiven Stärken und Schwächen genau erfassen.

Individuelle Förderpläne

  • Angepasster Unterricht: Gestalten Sie den Unterricht so, dass er den individuellen Bedürfnissen der Schüler gerecht wird.
  • Stärken nutzen: Fördern Sie die besonderen Fähigkeiten der Schüler, um ihre Schwächen auszugleichen.
  • Kombinierte Förderstrategien: Entwickeln Sie Strategien, die sowohl die intellektuellen Stärken als auch die Leseschwächen adressieren.

Technologie einsetzen

  • Spezielle Software: Verwenden Sie Lesesoftware und Apps, die Schüler mit Legasthenie unterstützen.
  • Audiovisuelle Hilfsmittel: Nutzen Sie Hörbücher und Videos, um den Unterricht zu ergänzen.

Emotionale und soziale Unterstützung

  • Selbstwertgefühl stärken: Sorgen Sie für ein unterstützendes Umfeld, in dem sich die Schüler sicher und wertgeschätzt fühlen.
  • Gruppen einrichten: Bilden Sie Peer-Support-Gruppen, in denen sich Schüler austauschen und gegenseitig unterstützen können.
  • Kooperation und Netzwerkbildung: Fördern Sie die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Eltern und Spezialisten und nutzen Sie unterstützende Netzwerke.

Fazit

Hochbegabte Schüler mit Legasthenie benötigen besondere Unterstützung, um ihre Talente zu entfalten und ihre Schwierigkeiten zu überwinden. Durch ein besseres Verständnis ihrer besonderen Herausforderungen und gezielte Fördermaßnahmen können Lehrkräfte und Eltern dazu beitragen, dass diese Kinder erfolgreich lernen und sich positiv entwickeln. Die Forschung liefert wertvolle Hinweise darauf, wie diese Unterstützung am besten umgesetzt werden kann. Indem wir auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen und ihre Stärken fördern, können wir ihnen helfen, ihr volles Potenzial zu erreichen. Eine langfristige Perspektive und kontinuierliche Unterstützung sind dabei entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung.

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