Hochbegabung und Kommunikation in der Schule sind ein sensibles Thema – vor allem dann, wenn Kinder das Gefühl haben, nicht verstanden zu werden.
„Mama, ich glaube, ich bin irgendwie anders.“
„In der Schule hört mir keiner richtig zu.“
“ Wenn ich was erkläre, verdrehen die anderen nur die Augen und sagen: Nicht schon wieder.“
Solche Sätze hören Eltern hochbegabter Kinder öfters. Was als interessierter Beitrag gemeint war, kommt bei Mitschüler und Mitschülerinnen oder Lehrkräften seltsam an. Es wird nicht verstanden – oder sogar belächelt. Zurück bleibt das Gefühl: „Ich bin falsch.“
Wenn dein Kind so denkt, hat das nichts mit Überheblichkeit zu tun. Es ist ein stiller Ausdruck von Frustration, weil sein schnelles, tiefes oder ungewöhnliches Denken im schulischen Alltag häufig nicht ankommt. In diesem Beitrag erfährst du, warum das so ist – und wie du dein Kind stärken kannst, mit solchen Situationen umzugehen, ohne sich selbst infrage zu stellen.
Hochbegabte Kinder ticken anders – und das fällt auf
Hochbegabte Kinder denken vernetzt, springen gedanklich weiter als Gleichaltrige, stellen komplexe Fragen – oft dort, wo andere gerade erst ins Thema finden. Sie nehmen Dinge wahr, die anderen entgehen. Und sie spüren sehr genau, wenn ihre Gedanken nicht mitgedacht werden können.
Fallbeispiel:
Lina, 9 Jahre, liebt es, Zusammenhänge zu entdecken. Im Sachunterricht erklärt sie der Klasse begeistert, wie Pflanzen über Photosynthese Sauerstoff erzeugen – inklusive chemischer Formel. Die Lehrkraft unterbricht sie mit einem Lächeln: „Das sprengt jetzt den Rahmen.“ Die Klasse kichert. Lina verstummt.
Solche Erlebnisse prägen. Sie lernen: Sag lieber weniger. Oder: Pass dich an.
Typische Reaktionen im schulischen Alltag können sein:
- Die Kinder in der Klasse reagieren mit Unsicherheit oder Ausgrenzung
- Lehrkräfte bremsen das Kind aus, um „Ruhe“ zu sichern
- Aussagen des Kindes werden übergangen oder als unpassend eingestuft
Gerade hochsensible Kinder fangen an, sich zurückzunehmen, sich zu verstellen oder gar nichts mehr zu sagen. Andere reagieren mit Trotz, provozieren oder überdrehen. Beides ist ein Ausdruck von Überforderung – nicht nur beim Kind, sondern oft auch beim Gegenüber.
Warum versteht mich niemand? Eine Frage, die tiefer geht
Viele hochbegabte Kinder stellen sich irgendwann diese Frage. Und sie suchen den Fehler bei sich. Sie spüren die unausgesprochenen Regeln im System:
- Wer viel weiß, wird schnell als Besserwisser abgestempelt
- Wer ungewöhnlich denkt, sorgt für Irritation
- Wer auffällt, wird zur Zielscheibe oder einfach ignoriert
Fallbeispiel:
Jonas, 12 Jahre, analysiert im Deutschunterricht ein Gedicht aus einer psychologischen Perspektive. Er ist stolz auf seinen Gedanken. Die Lehrerin reagiert knapp: „Das brauchen wir jetzt nicht.“ Danach meldet er sich wochenlang nicht mehr.
Diese kleinen Kränkungen – oft unbeabsichtigt – hinterlassen Spuren. Das Kind lernt: Ich bin zu viel. Oder: Ich bin nicht richtig, so wie ich bin.
Was dein Kind jetzt braucht
1. Einordnen statt anpassen
Hilf deinem Kind, zu verstehen, dass nicht jede Reaktion mit Ablehnung zu tun hat. Es geht nicht darum, sich anzupassen oder zu verstecken. Aber es hilft, die Dynamiken zu erkennen, die in Gruppen wirken. So kann dein Kind lernen, sich nicht persönlich infrage zu stellen – und trotzdem zu sich zu stehen.
Elternimpuls: Sprich mit deinem Kind über die „unsichtbaren Spielregeln“ in der Klasse. Erklärt gemeinsam, warum andere vielleicht anders reagieren – und dass das nichts an seinem Wert ändert.
2. Kommunikation üben – ohne sich zu verbiegen
Gerade hochbegabte Kinder profitieren davon, wenn sie lernen, ihre Gedanken in kleinen Portionen auszudrücken. Nicht, um sie zu verstecken – sondern um sie so zu formulieren, dass andere sie besser aufnehmen können. Das ist kein Verzicht, sondern eine Übersetzung.
Beispiel: Statt direkt alle Gedankenschritte auszubreiten, kann dein Kind lernen zu fragen: „Darf ich noch etwas ergänzen?“ oder „Soll ich erklären, wie ich darauf komme?“ So fühlt sich das Gegenüber eingeladen – nicht überfordert.
3. Sichtbar bleiben – ohne laut zu sein
Ermutige dein Kind, bei sich zu bleiben. Zeig ihm, dass es in Ordnung ist, komplex zu denken, neugierig zu sein, tiefer zu fragen – auch wenn das nicht immer sofort verstanden wird. Sichtbarkeit kann leise sein. Aber sie ist wichtig.
Beispiel: Notiere gemeinsam Situationen, in denen dein Kind sich sicher gefühlt hat, etwas zu sagen – und besprecht, was dabei geholfen hat.
Hochbegabung und Kommunikation in der Schule – im Schulalltag besser kommunizieren
Wenn dein Kind sich fragt, warum es niemand versteht, dann braucht es nicht weniger von sich – sondern mehr Verständnis für sich selbst. Und Menschen, die ihm den Raum geben, so zu sein, wie es ist. Mit seinen schnellen Gedanken, seiner Tiefe und seinem Mut, Fragen zu stellen, die andere vielleicht noch nicht sehen.
Elternberatung für hochbegabte Kinder
In meiner Beratung unterstütze ich Eltern dabei, hochbegabte Kinder im Schulalltag zu begleiten. Gemeinsam schauen wir auf Kommunikationsmuster, auf Selbstwert, Schulgespräche und das, was darunter liegt. Damit dein Kind nicht stumm wird, sondern lernt, mit klarem Blick bei sich zu bleiben.
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